Abenteuer WM-Rückholung

Rückholung der DEDWM – ein fliegerisches Abenteuer

Das lange Wochenende Freitag 29.10 bis Montag 1.11 (Allerheiligen) wollten Sabine und ich zu einem Ausflug ins Franche-Compé oder auch Burgund oder das Jura nutzen. Der erste Zielflugplatz ist Pontarlier (LFSP). Pontarlier ist die – das spielt später noch eine Rolle – mit 837 m ü.M. zweithöchst gelegene Stadt Frankreichs (die höchst gelegene ist Briancon). Den Tag verbringen wir mit einem Besuch der Flugwerft SE-Aviation welche die Nachfolge von DynAero angetreten hat. Hier werden wieder die MCR-Kit Flugzeuge verkauft, repariert und neuerdings auch montiert – wie der Nachfolger unseres Miro Fliegers, der F-PUSS MCR4S.

            Noch am gleichen Tag soll es weitergehen nach LFLI- Annemasse, in die Alpen, doch leider weist der Magnetcheck auf einen Defekt an der Zündung hin, sprich: Die WM ist nicht startklar. Wir haben ja nur 250rpm Abfall auf der rechten Seite, also dachten wir, kann es ja nicht so tragisch sein. Allerdings ergibt die Begutachtung durch einen Sachverständigen der Lokalen Aero-Clubs, der auch Lycoming schraubt, dass der Defekt nicht umgehend behoben werden kann. Weil auf dem kürzlich erst erneuerten Bauteil, den Magneten, noch Garantie besteht, wird die Zündung ausgebaut und per Post zur Mühldorfer Werft geschickt, wo die DEDWM regelmäßig gewartet wird. Keine Chance, das ganze abzuwarten! Also geht’s ohne die DEDWM zurück nach München, aber wie? Der Zug mit 4 Gepäckstücken pro Person und 6 mal umsteigen ist nicht wirklich erstrebenswert und die Akkus der E-Bike hätten die Strecke auch nicht durch gehalten. Also muss ein Leihwagen ran, ein kleiner klappriger Franzose, wir Reisen ja stilecht.

            Anfang Dezember war die Störung schließlich behoben. In den vier dazwischen liegenden Wochen hat die Zündung als Frachtgut über die Kontinente größere Strecken zurückgelegt als jemals zuvor als aktives Bauteil in der DEDWM! Nun stand die Maschine zur Abholung bereit, doch das Wetter in der Zeit um Weihnachten und Neujahr war wenig favorabel und so konnten wir dank der Webcam nur zuschauen, wie der Schnee Zentimeter um Zentimeter auf den Tragflächen anwuchs. Nachdem ich die DEDWM hingeflogen, die Reparatur vor Ort mit koordiniert und die lokalen Kontakte gepflegt hatte, fühlte ich mich zunehmend verpflichtet, die Rückholung aktiv zu betreiben. Da ich die erste Januarwoche noch frei hatte und sich laut mittelfristiger Wettervorhersage einige fliegbare Tage ankündigten, war die erste Option, mit der DERBF hinzufliegen und mit beiden Maschinen, möglichst noch am gleichen, spätestens am drauffolgenden Tag, wieder zurück. Es gab zunächst viele Interessenten für diesen Transfer bei den Barons, Piloten die gerne eine kleines Abenteuer im Ausland machen, aber halt nicht alleine. Es gilt die alte Weisheit: geteilte Freunde & Funk ist eben doch doppelte Freude & Funk.

            Aber Wetterplanung im Januar, wie soll das gehen? Auch den Meteorologen muss das Wetter ein Rätsel gewesen sein: die Vorhersagen änderten sich von Tag zu Tag, und zwar zum Schlechteren. Im Nachhinein betrachtet, bot die erste Planung – Dienstag 4.1 nachmittags hin, egal wie stark es windet und am nächsten Tag zurück, die wettermäßig zuverlässigsten Bedingungen. Doch leider konnte ich niemanden der Transferhelfer für diesen Plan begeistern (Notiz an mich selbst: mach einen Motivationskurs), zumindest niemanden, der den Rückflug als PIC verantwortet hätte. Da einerseits noch nicht alle potenziellen Transferpiloten abgesagt haben, andrerseits keiner von ihnen mehr als einen Tag Zeit hatte, wurde der Flug für Dienstag abgesagt und stattdessen für Dienstagabend eine Telko anberaumt, um dabei festzustellen, dass die Möglichkeiten, die die Wettervorhersage vor zwei Tagen noch eröffnet hatte, sich im Nichts aufgelöst hatten.

            Da war es dann doch wohl an mir, die ganze Tour in eigener Regie abzuwickeln, zumal ich mit meiner überschwänglichen Begeisterung weit und breit allein dastand. Vielflieger wie ich wird man eben nur, wenn man auch viel fliegt! Und ganz alleine war ich ja auch nicht, denn Sabine zog treu mit mir los, auf Gedeih und Verderb.

            Am Dienstagabend erschien die vernünftigste Lösung zu sein: Mittwoch in aller Früh mit der Bahn nach Pontarlier zu fahren (jeder nur ein Gepäckstück!) und am späten Nachmittag wenigstens ein erstes Leg nach Deutschland zu absolvieren. Wegen der Nachtfluglandungen standen Freiburg, Friedrichshafen oder Memmingen auf dem Plan. Eine Landung in Deutschland hätte schon mal die Ungewissheit um Corona-Ein- und Ausreisereglungen für den Weiterflug nach Oberschleißheim eliminiert. Alternativ Rückflug erst am Donnerstag. Dienstag sah es am Abend wettermäßig für Mittwoch fliegbar aus. Also Zugverbindung raussuchen, man muss ja nur vier Mal umsteigen (oder sechs Mal, wenn’s schneller gehen soll), alles in allem acht Stunden Fahrzeit. Zum Vergleich: Die 600 km hatten wir mit dem Leihwagen in rund sechs Stunden geschafft, ohne Geschwindigkeitsübertretungen, denn das hätte der alte Franzose nicht hergegeben (und bei vielen Flügen zuvor mit der F-PUSS in nur zwei Stunden). Doch all diese Optionen haben wir grad nicht … also schnell noch einen Coronatest machen, weil ohne in der Bahn und in der Schweiz gar nichts geht. Bei Corona sind die Franzosen etwas entspannter. Am nächsten Tag heißt es dann um fünf Uhr morgens aufstehen, und das an einem Urlaubstag.

            Die S-Bahn von Oberschleißheim nach München hatte gleich schon mal Verspätung, glücklicherweise ohne Konsequenzen für die weitere Reiseplanung. Aber um 06:00 Uhr morgens in der Kälte auf den nächsten Zug zu warten, dämpft merklich die Stimmung. Am Münchner Hauptbahnhof stand die Schweizerische Staatsbahn (SSB) nach Zürich schon zum Einsteigen bereit. Es war warm, es gab WLAN und Strom für alle USB-Geräte und warmen Kaffee, der mit dem Hinweis serviert wurde, dass der Zug bedauerlicherweise mit 30 Minuten Verspätung in Zürich einlaufen würde. Da ich unseren Zugfahrplan im Kopf hatte, war bereits um 09:30 Uhr ziemlich klar, dass Plan A (Rückflug noch am gleichen Tag) wohl nicht aufgeht. Da konnte uns auch die Mitteilung, dass der Zug, den wir aus zeitlichen Gründen verpassen, wegen einer Stellwerksstörung aus technischen Gründen sowieso nicht gefahren wäre, nicht mehr versöhnlich stimmen. Vorschlag der SSB war eine großräumige Umfahrung – womit sich die Fahrzeit von acht auf elf Stunden verlängert hätte. Für’s gleiche Geld drei Stunden zusätzliche Fahrzeit und zwei Bonus-Umstiege, was will man mehr? Nun, was man definitiv nicht will, ist im Dunkeln auf einem unbemannten, unbefrauten und auch undiversifizierten Flugplatz abzufliegen. Gibt es einen Plan B? Ja, wenn wir die letzten Kilometer mit einem Schweizer uhrwerkpräzisen Taxi fahren, es war ein Dacia, könnten wir ca. zwei Stunden vor Sonnenuntergang ankommen und wenigstens im Hellen starten und dann halt im Dunkeln landen, die DEDWM hat ja zum Glück Licht vorne. Streckenwetter bis Memmingen? Naja … aber versuchen könnte man’s. Dann, immer noch im Taxi, in dem gleich einem Emmentaler durchlöcherten Funknetz des Schweizer Jura, zeigten Wetterradar und Sattelitenbild allmählich punktuell, genau im Startgebiet Irritationen in Form von Wolken und Niederschlag. Bei den Temperaturen kann das eigentlich nur Schnee sein.

            Vor Ort angekommen, erweisen sich die Irritationen für das Flugvorhaben als störend, selbst für mich. Unser französischer Kontaktmann stuft das lokale Wetter als flugverhindernd ein: In einem Umkreis von 30 km um Pontarlier waren weder VFR, Marginal VFR noch ein sicherer (das heißt, ohne Vereisung) IFR-Flug möglich. Der Platz liegt 2600 ft hoch, alles ist voller Schnee, und drumherum nur Berge und Buckel, die zu umfliegen wären. Ab Basel und in Deutschland sowieso wären wir bis Memmingen im grünen Bereich. Doch das hilft jetzt alles nix – es ist eine Übernachtung in Pontarlier angesagt. Mein blutendes Fliegerherz kann nur noch mit einer lokalen Spezialität erfolgversprechend behandelt werden: mit Absinth. Der beseitigt auch gleich den mentalen Schmerz, nicht fliegen zu können. Das macht müde … und diese Schläfrigkeit schlägt dann auch dem kleinen fliegbaren Wetterfenster von Donnerstag früh gleich wieder die Fensterläden zu. Was nicht weiter schlimm ist: Ab dem Nachmittag soll es nachhaltig besser werden, und wir brauchen ja nur zwei Stunden für den Rückflug.

            Dafür, dass es uns nicht langweilig wird, sorgt ein Feuer im Hotel. Mit Kaffee und Pain aux Chocolat (aber ohne Jacke) werden wir flugs in die Kälte evakuiert. Beim Anblick der Feuerwehr wurde es kurz warm ums Herz, doch nur bis klar war, dass die „Sapeurs-Pompiers“ das Haus für zwei Stunden komplett schließen. Wenigstens durften wir ins Nachbarhaus … und irgendwann auch wieder in unser Zimmer, zum Packen. Auf zum Flugplatz, DEDWM anlassen, Motor warmlaufen lassen und – Überraschung: alles funktioniert wieder. Rein zum Wettercheck und – Überraschung: die Wetterwürfel sind neu gefallen, wieder sitzen wir auf (bzw. unter) einem lokalem Wolkenpfropf fest. Draußen wechseln sich strahlend blauer Himmel und aufliegende Bewölkung ab. Also auf zum Lidl, etwas Essbares ergattern … um 14:45 sehen wir einen 10 km langen blauen Streifen mit Sonne und die Wolkenuntergrenze liegt bei schätzungsweise 2000 ft (oder eben 0 ft, mit Sonne). Die Piste ist nun auch nicht mehr schneeüberhäuft sondern nur noch schneebedeckt. Also rein in die Kiste, die eingeschneiten Lampen zeigen den Taxiway, rum ums Eck, Gas geben und starten. Doch leider ist währenddessen der 10 km lange, blaue Streifen schon wieder verschwunden, also haben wir die hellen Stellen gesucht und freundlich gefunkt. Am Funk gab es den Hinweis, dass die Sperrgebiete um uns herum auch wirklich gesperrt wären. Da haben sich doch die 15 Sekunden gelohnt, in die Karte der französischen militärischen Sperrgebiete AZBA zu schauen … bloß dass in den Sperrgebieten blauer Himmel war und kein Flugzeug weit und breit, weder zu sehen, noch zu hören … Egal, wir haben unseren blauen Streifen wieder gefunden und setzen zum Steigflug an. Über uns ein weiteres Sperrgebiet, aber erst 5000 ft über Grund. Nebenbei dämmert die Weisheit, Flug unter Golf Bedingungen ist nicht schön, hier bedeutet das anderthalb Kilometer Frontsicht, um uns herum alles trüb, unten etwas Boden und oben etwas Blau, aber der Dunst ist so feucht, dass die Scheiben beschlagen und das Wasser auf dem Blech zu Eistropfen gefriert … sollte alles kein Faktor sein, denn 500 ft höher sieht’s wirklich nach strahlend blauem Himmel aus. (Da wird das Zeug schon weg sublimiert, hat mir ein alter IFR-Hase versichert). Wäre es auch, wenn nicht der Kontroller vor Verlassen des Dunsts etwas von „5000“ ins Headset gequakt hätte. Einigermaßen verunsichert frag ich noch „ja wat denn nu?“ Wir einigen uns auf FL 050, was leider nur blaugrau war und nicht das erwartete Strahlendblau. Nun zirkeln wir zwischen den Wolken herum, um dann doch, zehn Minuten nach dem Start, in wirklich schönste Flugbedingungen zu kommen. Wir fliegen also über den Wolken im strahlend blauen Himmel. Obwohl das tiefe Fliegen bei FL050 im Nachhinein Quatsch war, denn das Sperrgebiet fängt erst bei 5000 ft AGL an und nicht schon bei FL 050 aber ‚c‘est la vie‘, solche Details sind ‚Lost in Translation‘. Kleiner Tipp für alle Wenigflieger: Fliegen unter Golf-Bedingungen ist legal, aber nicht wirklich toll, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken.

            Aber dann wird es entspannt, weil die Wolkendecke unter uns immer weiter sinkt und schließlich ganz aufreißt. Alle weiteren kleinen Wetter-Phänomena waren umfliegbar – leichtes Schneetreiben hier und TCU da. Damit es nicht ganz so einfach wurde, fragte der Kontroller später noch so nebenbei, „wollt ihr so weiterfliegen?“ Ich meinte „Ja!“. Schließlich bin ich VFR-Flieger und nicht an den Flugplan gebunden, sondern darf auch genau auf die Zwölf fliegen, also direct to Destination im Navi. Dann solle ich mit Holdings rechnen, weil direct to Destination im Navi genau durch den Anflugsektor von Basel führt. Nett, dass er mich vorwarnt aber den kritischen Sektor haben wir kurzerhand mit etwas Schnee auf den Streben unterflogen, um bei wirklich strahlendem Sonnenschein auf der Höhe von Bremgarten in die Rheinebene einzufliegen. Trotzdem haben wir für heute genug vom Fliegen. Da wir es vor Sonnenuntergang ohnehin nicht mehr nach Oberschleißheim schaffen, und auch sonst nirgendwo Sinnvolles mehr hinkommen, bleiben wir in Freiburg für die Nacht. Also in die (falsche) Platzrunde zur 34 einreihen, um dann geduldet auf der 16 landen.

            Die Vorhersage für den nächsten Tag, das zweite Leg, ist deutlich entspannter. Dort kommen wir aber auch nochmal in den Genuss zwischen zwei Wolkenschichten hindurchzufliegen, um dann aber bei schönem Wetter in EDNX zu landen. Freudiger Empfang zuhause – und keine zwei Stunden später ist die DEDWM schon wieder mit einem Piloten aus dem Verein in der Luft.

Andreas Kleuser, Red. Anne Ring